10 Jahre KMU-Anleihen – Altes Spiel, neues Level?
22.09.20 13:34
BankM
Kennen Sie noch die erste „echte“ Mittelstandsanleihe? Pionier war im September 2010 die Dürr AG mit einer Schuldverschreibung über anfänglich 150 Millionen Euro mit 7,25% Verzinsung. Kurz zuvor hatte die Börse Stuttgart das erste Marktsegment für Mittelstandsanleihen ins Leben gerufen, andere Börsenplätze zogen wenig später nach. Bis Ende des Jahres folgten insgesamt acht weitere Emissionen, 2011 waren es dann schon 32.
Ihren Ursprung nahm das Segment also in den Nachwehen der Finanzkrise. Das Bankensystem war angeschlagen, die Kreditvergabe stark eingeschränkt. Viele Mittelständler hatten schlechte Bilanzen, benötigten aber dringend Mittel, um das Wachstum wieder anzukurbeln. Gleichzeitig war das Zinsniveau in Deutschland in den Jahren 2008 und 2009 kräftig gefallen, Investoren also auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten. Eine Win-Win-Situation, der Markt für Mittelstandsanleihen war geboren.
Wiederholt sich Geschichte?
Zehn Jahre später ist es erneut eine Krise, die die Unternehmensfinanzierung verändern dürfte. Die Corona-Pandemie frisst sich in die Bilanzreserven und wenn die Konjunktur wieder anläuft, fehlt vielerorts das Geld für notwendige Investitionen. Ob die Banken es den Unternehmen zur Verfügung stellen werden, ist fraglich. Schon vor Corona wurde immer wieder davor gewarnt, dass die Umsetzung von Basel IV – insbesondere die Einschränkung der internen Bankenratings zur Bonitätsbewertung mittelständischer Unternehmen – zu einer Kreditklemme führen könnte. Zwar wurden die Reformen vorerst um ein Jahr verschoben, aber durch Corona schauen viele Kredithäuser abseits der staatlich garantierten Programme auch so derzeit ganz genau hin. Dazu kommt eine hohe Auslastung durch die Abwicklung der KfW-Anträge.
Was bedeutet das für den KMU-Anleihemarkt? Ähnlich wie vor zehn Jahren dürfte das Interesse an bankenunabhängigen Finanzierungsoptionen zunehmen. Schließlich ist der deutsche Mittelstand immer noch überwiegend kreditfinanziert. Soweit so klar. Darüber hinaus, gehen die Meinungen auseinander. Kritiker befürchten eine Pleitewelle, getrieben durch die Corona-Effekte auf bestehende Emittenten und eine adverse Selektion bei den Neuemissionen. Verwiesen wird an dieser Stelle gerne auf die Ausfälle, die in den Anfangsjahren auf den ersten Boom gefolgt waren.
KMU-Anleihemarkt zeigt sich robust
Dass sich das Segment in den vergangenen Jahren verändert hat, kommt bei dieser Sichtweise zu kurz. Aus den Mittelstandsanleihen früherer Tage sind Mini-Bonds geworden. Aber nicht nur die Verpackung ist neu, auch der Inhalt hat sich weiterentwickelt. Heute sind die Bilanzen solider, die Transparenz höher und die Privatanleger stehen längst nicht mehr so stark im Vertriebsfokus. Stattdessen gibt es einen kleinen aber treuen Kreis institutioneller Investoren mit sehr gutem Verständnis für Risiken und Geschäftsmodelle. Gerade die Professionalisierung auf der Investorenseite führt dazu, dass „schlechte“ Emittenten viel stärker als früher schon im Vorfeld ausselektiert werden.
Das Ergebnis zeigt sich auch in der aktuellen Krise: Die Kommunikation funktioniert überwiegend, die Kurse haben sich schnell wieder stabilisiert, zu Ausfällen ist es bislang nicht gekommen. Wohl aber finden schon wieder Transaktionen statt. Anders als der Bankensektor präsentiert sich der Kapitalmarkt angesichts der externen Natur der Corona-Krise offen und investitionsbereit. Nicht, weil Investmentprofis weniger genau hinschauen als die Banken, sondern weil sie weniger automatisierte Prüfprozesse haben und ein anderes Risiko-Rendite-Profil verfolgen. Umso mehr, als spätestens jetzt auch dem letzten Anleger klar sein dürfte, dass der Leitzins auf Jahre hinaus ein Leidzins bleibt.
Aktuelle Gespräche bestätigen auch nicht den Verdacht, dass potentielle Neuemittenten den KMU-Anleihemarkt als letzten Rettungsanker sehen. Vielmehr geht es den meisten Mittelständlern immer noch erstaunlich gut. Das Interesse an einer Anleihe rührt nicht so sehr aus der Not heraus, sondern steht im Einklang mit konkreten operativen Zielen und dem Wunsch nach einer bankenunabhängigen und nachhaltigen Finanzierungsoption. Denn so gut, dass Rücklagen und Gewinnthesaurierung allein ausreichen, um die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu stemmen, geht es den Unternehmen dann auch wieder nicht.
Hoffnung auf WSF
Dem Markt für KMU-Anleihen könnte also sehr wohl eine Zäsur bevorstehen. Aber ein Einschnitt positiver Art. Die Konstellation ist so günstig wie vielleicht nie. Insbesondere wenn das Segment über garantierte Anleihen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds an Breite gewinnt. Vorgespräche mit zahlreichen betroffenen Unternehmen signalisieren hohes Interesse. So hatte beispielsweise die angeschlagene Joh. Friedrich Behrens AG bereits Anfang Juli proaktiv beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Antrag auf Garantieunterlegung einer neuen Anleihe gestellt.
Doch der Bund möchte wohl lieber eine stille Beteiligung eingehen. Insgesamt war mit dem offiziellen Start des Programms am 8. Juli eine Antragstellung für Garantien im Volumen < EUR 100 Mio. plötzlich nur noch für das Standardprodukt „Bürgschaft für Bankkredite“ möglich, welches nahezu identisch mit dem schon verfügbaren KfW-Unternehmerkredit ist. Auf Anfrage hieß es aus dem Ministerium „eine Übernahme von Garantien für Mittelstandsanleihen, die nach üblicher Definition Unternehmensanleihen mit einem Emissionsvolumen im kleineren Millionen Euro-Bereich darstellen im Rahmen des WSF ist nicht möglich“. Mit einer starken Nachfrage rechnend, befürchtete man in Berlin wohl, dass individuell strukturierte Anträge nicht handhabbar wären. Eine einschränkende Auslegung des WSF hätte jedoch mehrere stark miteinander verwobene kontraproduktive Effekte:
- Eine erhebliche Benachteiligung des Mittelstands, der quasi auf den KfW-Unternehmerkredit zurückgeworfen wird.
- Finanzierungsquellen des Kapitalmarktes, welche unter Umständen auch eine deutlich höhere eigene Risikobeteiligung eingehen würden als die im WSF geforderten 10%, können nicht genutzt werden.
- Erhöhung des Drucks auf die Banken und ansteigende EK-Belastung, welche die Wahrscheinlichkeit einer der Coronakrise folgenden Bankenkrise erheblich erhöht.
- Sinkende Wahrscheinlichkeit, dass WSF-Kredite bis zu Euro 100 Mio. von den heute schon kapitalseitig stark beanspruchten Banken ausgereicht werden.
- Widerspruch zur Europapolitik, die immer wieder eine zunehmende Finanzierung mittelständischer Unternehmen über den Kapitalmarkt fordert.
Die niedrige Zahl der bislang eingereichten Anträge belegt zudem, dass der WSF in der bislang umgesetzten Form mit Ausnahme weniger Großkonzerne (Lufthansa, Tui, etc.) kaum Resonanz findet und insbesondere das Standardprodukt „Bürgschaft für Bankkredite“ obsolet ist. Mit zunehmendem Druck u.a. durch den Kapitalmarktverband KMU, scheint eine Kehrtwende aber nicht mehr ausgeschlossen. Laut aktueller Aussagen hochrangiger Politiker sollen plausibel begründete Anträge für individuelle Kapitalmarktlösungen auch unterhalb der 100-Millionen-Euro-Grenze möglich sein. Allerdings nur als Privatplatzierungen ohne öffentliches Angebot. Wahrcheinlich aus Angst vor Verlusten für Privatanleger. Dass diese im Nullzinsumfeld vielleicht froh über eine staatsgarantierte Anlageform mit attraktivem Kupon wären, bleibt dabei außer Acht. Dabei wäre es für die Kapitalmarktkultur in Deutschland so wichtig, dass gerade die Privatanleger, die als Steuerzahler sowieso die Kosten der Krise tragen, auch eine Chance erhielten, an den Gewinnen zu partizipieren.
Gelingt es am Ende doch noch, KMU-Anleihen in den WSF einzubeziehen, könnte eine komplett neue Asset-Klasse entstehen, die bislang zurückhaltende Unternehmens- und Investorengruppen für Anleihen sensibilisiert. Zudem wäre damit ganz automatisch eine breitere Zinskurve verbunden. Während die Kupons für KMU-Anleihen größtenteils zwischen 5% und 7% schwanken, dürften sich staatsgarantierte Mittelstandsbonds eher im Bereich von 1,5% bis 2,5% wiederfinden. Wenn sich künftig alle Neuemissionen an dieser Marke orientieren, nimmt voraussichtlich auch die Zinselastizität für Bonds ohne Staatsgarantie zu. Besonders gut aufgestellte Mittelständler könnten versuchen in die bestehende Lücke vorzustoßen und Kupons zwischen 3% und 5% aufrufen. Damit würde der Abstand zu Bankkrediten sinken, was wiederum den Weg für neue Emittenten bereiten würde. Emittenten vom Schlage einer Dürr AG. Deren laufende Anleihe 2014/2021 hat übrigens einen Kupon von 2,875%.
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MiFID II – Hinweis: Diese Studie wurde auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung im Auftrag des Emittenten ...
MiFID II – Hinweis: Diese Studie wurde auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung im Auftrag des Emittenten ...
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