Die EZB in Zugzwang
24.06.22 15:43
Stock-World Redaktion
Bis zu dem Zeitpunkt als Lieferkettenprobleme
und steigende Rohstoffpreise im Corona-Erholungsjahr 2021
einen Vorgeschmack lieferten, was es bedeuten würde, wenn
Preise schnell steigen. Der Ukraine-Krieg verschärft diese
Entwicklungen nun, sodass wir uns mit Preissteigerungen
konfrontiert sehen, die viele von uns in dieser Höhe noch nie
oder allenfalls vor Jahrzehnten erlebt haben.
Und die begrenzte Handlungsfähigkeit der
Notenbanken wird sichtbar, denn das Mittel der Wahl gegen
Inflation – die Zinserhöhung – würde das Wirtschaftswachstum
bremsen. Dieses aber schwächt sich aktuell rasant ab. Daher
versuchen die Währungshüter, die Inflation vor allem mit
verbalen Interventionen einzufangen, während der Leitzins im
Europäischen Währungsraum im Juli nur um 0,25 Prozentpunkte
angehoben werden soll.
Eine homöopathische Dosis
Zusätzlich sah sich die EZB aufgrund von Marktverwerfungen jüngst gezwungen, eine überraschende Dringlichkeitssitzung einzuberufen. Dabei ging es vor allem um die steigenden Renditen in der europäischen Peripherie, also die hoch verschuldeten südeuropäischen Staaten, und die Sorgen vor einer sich wiederholenden Euro-Staatsschuldenkrise. Beschlossen wurden auf diesem außerplanmäßigen Treffen im Wesentlichen zwei Punkte: Künftig werden fällige Anleihen aus der Bilanz der Notenbank flexibel reinvestiert und vermutlich vor allem in Anleihen der Peripherie angelegt. Zudem soll ein neues Instrument geschaffen werden, das sprunghafte Anstiege der Renditeaufschläge der Peripherie verhindern soll. Dabei setzt man darauf, dass dieses Instrument nicht eingesetzt werden muss, da die pure Existenz ausreichen soll, um genügend Vertrauen zu schaffen. Einzelheiten wurden noch nicht bekannt, aber vermutlich beinhaltet das Instrument auch den Kauf von Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten.
Inflation und Leitzinsanhebungen führen zu Renditeanstiegen
Der Rentenmarkt steht in diesem Jahr stark
unter Druck. Die Zeiten negativer Renditen scheinen vorbei,
selbst kurz laufende deutsche Staatsanleihen rentieren wieder
klar über Null. Die Inflation ist hoch, die Notenbanken
erhöhen die Zinsen. Zwei Hauptgründe, warum die Renditen
steigen. In den USA, wo die Wirtschaftsentwicklung stabiler
läuft als bei uns, erhöhte die Notenbank Fed die Leitzinsen
dieses Jahr bereits um insgesamt 1,50 Prozentpunkte, zuletzt
gleich um 0,75 Prozentpunkte und damit so deutlich wie seit 28
Jahren nicht mehr. Zusätzlich deuteten die US-Währungshüter
für ihre nächste Sitzung eine weitere Steigerung in gleicher
Größenordnung an, wodurch die Leitzinsen ein „neutrales
Niveau“ erreichen würden.
Als neutrales Zinsniveau wird dabei eine Höhe
angesehen, welche die Wirtschaft weder stützt noch bremst. Die
Weltwirtschaft kühlt sich derzeit jedoch merklich ab. In
Zeiten der Wirtschaftsabschwächung steigen zudem die
Risikoaufschläge für riskante Anleihen, also zum Beispiel für
Hochzinsanleihen, weswegen wir für diese Anlagen skeptischer
werden. Renditeanstiege gehen mit fallenden Kursen einher, sie
bieten natürlich daher ab einem gewissen Zeitpunkt
Wiedereinstiegsmöglichkeiten. In der aktuellen Situation
würden wir damit jedoch noch warten.
Der Aktienmarkt im Sinkflug
Die Aktienmarktentwicklung war zuletzt von
fast schon panikartigen Verkäufen geprägt. Deutliche Verluste
führen die Leitindizes in die Richtung neuer Jahrestiefpunkte,
womit die jüngste Kurserholung wieder beendet ist. Viele
Indizes sind vom letzten Hochpunkt zu Jahresbeginn nun
abermals über 20 Prozent im Minus, was nach gängiger
Interpretation als „Bärenmarkt“ bezeichnet wird. Das bedeutet
nichts anderes, als dass Aktienkurse über einen längeren
Zeitraum fallen – nun schon seit sechs Monaten. Damit zeigt
sich zunehmend das Marktverhalten, welches wir in
Rezessionsphasen sehen konnten.
Wir erwarten unverändert keine schwerwiegende Rezession, auch wenn die Risiken dafür aufgrund der Lieferengpässe und des Ukraine-Kriegs unverkennbar gestiegen sind. Entsprechend erwarten wir auch für die Unternehmen keinen deutlichen Gewinneinbruch, sondern vielmehr positive Wachstumsraten - mit allerdings nachlassender Dynamik. Unsere Einschätzung basiert auf den Erkenntnissen der abgelaufene Berichtssaison zum ersten Quartal 2022. Die Unternehmen überraschten zum Großteil positiv, und auch die Ausblicke der Firmen sind zwar vorsichtig, vom Grundton aber grundsätzlich weiter positiv. Die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind schließlich voll, die Kapazitätsauslastung hoch. Gleichzeitig ist die Bewertung der Aktien in vielen Sektoren wieder auf Normalniveau. Vor diesem Hintergrund fühlen wir uns mit einem eher defensiven Portfolio und einer ausgewogenen Mischung aus fundamental starken Wachstums- und Valueaktien für diese Marktphase gut positioniert.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen
Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus
von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz
Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit
unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese
Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf
oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
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Der Autor stellt hier lediglich Informationen zur Verfügung, es erfolgt keine Anlageberatung, Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Vermögensanlagen. Anlagegeschäfte beinhalten Risiken, so dass die Konsultierung professioneller Anlagenberater empfohlen wird. Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ein Engagement in Aktien (auch Hot Stocks oder Penny Stocks), Zertifikate, Fonds oder Optionsscheine zum Teil mit erheblichen Risiko verbunden. Ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals kann nicht ausgeschlossen werden.
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