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DAX

WKN: 846900 / ISIN: DE0008469008

So tickt die Börse: Weltmärkte im Crashmodus, Coronavirus erreicht die Finanzwelt


02.03.20 09:35
Heibel-Ticker

Berlin (www.aktiencheck.de) - Um -13% ist der DAX in dieser Woche eingebrochen, so Stephan Heibel von "Heibel-Ticker".

Das habe es seit 2011 nicht mehr gegeben. Wer da nicht zumindest ein paar Langfristpositionen eröffne, der habe das Prinzip des Sonderangebots noch nicht ganz verstanden.

An den Finanzmärkten drohe die Welt unterzugehen. Jetzt aber wirklich, und nicht wie bei den vorhergehenden Epidemien:

2001 Anthrax
2003 SARS
2005 Vogelgrippe
2006 E.Coli
2009 Schweinegrippe
2014 Ebola
2016 Zika
2020 Coronavirus

Wenn man sich die Reaktionen der Aktienmärkte auf die eindrucksvolle Liste vorhergehender Epidemien anschaue, dann werde man feststellen, dass bislang noch keine Epidemie solche Auswirkungen auf die Finanzmärkte gehabt habe. So sehe Stephan Heibel den Grund des Ausverkaufs auch nicht allein in dem Coronavirus, sondern auch in der vorangegangenen Aktienmarktrally, die vielleicht ein bisschen zu hoch gelaufen sei.

Wenn man sich kurz den Wissensstand zum Coronavirus aus medizinischer Sicht anschaue: Die Suche nach Patient Nr. 1 sowohl in China als auch in Italien sei bislang noch nicht von Erfolg gekrönt, sodass die Ausbreitungskette noch immer nicht zufriedenstellend nachvollzogen werden könne.

Auch wenn in China die Ausbreitung offiziellen Zahlen zufolge habe gestoppt werden können, so stehe sie in Europa in diesen Tagen erst noch an. Immer wieder gebe es Klagen über die intransparente Datenerhebung seitens Chinas, sodass verlässliche Zahlen nicht wirklich existieren würden. Das Robert Koch Institut rechne mit einer Mortalitätsrate von 1 bis 2%, beim normalen Grippevirus spreche man von 0,1 bis 0,2%. Der Coronavirus sei also zehnmal tödlicher als eine Grippe.

Doch 80% der Infizierten, insbesondere junge und gesunde Menschen, würden kaum Symptome zeigen. Alte und vorbelastete Menschen seien gefährdet, kaum junge und gesunde Menschen. Doch die Zahlen würden sich außerhalb Chinas zu denen unterscheiden, die aus China gemeldet würden.

Am Finanzmarkt seien vier Bereiche derzeit im Fokus der medizinischen Hoffnung:

1. Prävention

Durch Desinfektion (Atemmasken von Drägerwerk (ISIN DE0005550636 / WKN 555063), am Freitag +13%, würden kaum schützen, müssten nur von Infizierten getragen werden, um die Ausbreitung zu beherrschen): Paul Hartmann biete als Desinfektionsflüssigkeit Sterillium an. Vor einer Woche habe Stephan Heibel mit der Investor Relations Abteilung telefoniert. Dort habe man ihm versichert, es stünden ausreichend Produkte zur Verfügung, da die Produktion bereits im Januar hochgefahren worden sei und man nicht einfach alles nach China sende, sondern die Versorgung des deutschen Heimatmarktes sicherstellen wolle. Nun, wenn man heute in die Regale der Drogerien schaue, dann habe sich selbst Paul Hartmann geirrt. Die Aktie sei um 18% angesprungen. Für das Portfolio der Experten sei die Aktie leider dennoch nicht geeignet gewesen, da es zu wenig Aktien im Streubesitz gebe.

2. Diagnose

QIAGEN (ISIN NL0012169213 / WKN A2DKCH) biete Testkits für den Coronavirus an, die schon binnen einer Stunde ein Ergebnis liefern würden. Die Aktie habe jedoch kaum darauf reagiert. Während sich Millionen in Deutschland mit Dosennahrung eindecken würden, würden sich bislang nur wenige Hundert, vielleicht einige Tausend testen lassen. Das sei zum einen zu wenig für einen Gewinnsprung bei QIAGEN, die auch so schon 1,5 Mrd. Euro Jahresumsatz machen würden. Zum anderen würde es sich um einen Einmaleffekt handeln, ein einmaliger Geldsegen, der aber nicht nachhaltig in der Geschäftsentwicklung der kommenden Jahre zu sehen sein werde und daher am Bewertungsniveau der Aktie kaum etwas ändere. Das gelte auch für Paul Hartmann. Wer also diese Aktien jetzt kaufe, der sei im besten Fall ein Spekulant, aber kein Investor.

3. Behandlung

Regeneron (ISIN US75886F1075 / WKN 881535) habe 2014 einen Wirkstoff gegen Ebola gefunden und die Epidemie damit eingegrenzt. So hätten nun einige Spekulanten vermutet, dass Regeneron auch beim Coronavirus das Rennen machen könnte, die Aktie sei zwischenzeitlich um 40% angesprungen. Doch inzwischen habe sich herausgestellt, dass ein anderes Unternehmen das Rennen machen könnte. Die Aktie von Regeneron breche gerade ein.

Gilead (ISIN US3755581036 / WKN 885823) sei das Unternehmen, das derzeit am weitesten sei: In China würden zwei klinische Tests der Phase III an Coronavirus-Patienten durchgeführt. Die Behandlungsdauer betrage zehn Tage, man dürfe also Mitte März mit ersten Gerüchten rechnen. Offizielle Zahlen würden jedoch vermutlich bis Ende März auf sich warten lassen.

Stephan Heibel habe Gilead am vergangenen Freitag entsprechend erwähnt, aber ebenfalls nicht zum Kauf empfohlen: Dieses Feld überlasse er Spekulanten. In seinen Augen lasse sich auch mit einem Wirkstoff nicht wirklich viel Geld verdienen, so sinnvoll und wichtig der Wirkstoff auch sein möge. Gilead sei das Unternehmen, das Hepatitis "geheilt" habe. Das Medikament sei keine Behandlung, sondern eine Heilung gewesen. Dafür habe Gilead einen horrend hohen Preis aufrufen wollen, seither sei das Unternehmen moralisch unter Beschuss.

Gilead habe also die besten Chancen, den Coronavirus zu besiegen - doch Geld lasse sich damit nicht verdienen. Die Aktie sei am Donnerstag zwischenzeitlich um 21% angesprungen, am Freitag habe sie diesen Gewinn wieder vollständig abgegeben.

4. Vorbeugung

Moderna (ISIN US60770K1079 / WKN A2N9D9) heiße das Unternehmen, das derzeit laut FDA die besten Chancen habe, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Die Aktie sei im Wochenverlauf bereits um 80% angesprungen, stürze seit gestern aber ebenfalls in Richtung des ursprünglichen Startniveaus ab.

Während Mediziner schlaflose Nächte verbringen würden, um den Coronavirus mit den richtigen Mitteln zu bekämpfen und eine Pandemie, einen weltweiten Notstand, zu vermeiden, würden es sich Finanzleute einfach machen: Gebe den Medizinern mehr Geld, würden einige wenige rufen. Die meisten würden jedoch einfach nach Zahlen suchen und viele Widersprüche finden.

Widersprüche zwischen den Statistiken, die aus China kämen und den Zahlen, die im Rest der Welt veröffentlicht würden. Sei zu fürchten, dass der Rest der Welt die gleiche ungebremste Entwicklung nehme, wie sie in China nicht habe verhindert werden können? Oder sei der Rest der Welt nun besser vorbereitet? So traurig der Ausbruch in Italien, Südkorea und im Iran auch sei, von dort erwarte man jedoch Zahlen, die man mit den Zahlen aus China vergleichen könne, um erstmals eine Einschätzung über die Qualität der chinesischen Statistiken zu gewinnen.

Aber solange diese Zahlen nicht verfügbar seien, würden Finanzleute nur eine rational begründbare Aktion kennen: das finanzielle Risiko im Portfolio müsse verringert werden. Der Ausverkauf werde also so lange fortgesetzt, bis der Rest der Welt verlässliche Zahlen habe.

Als technikaffiger Mensch habe Stephan Heibel noch eine weitere Hoffnung: Nie zuvor hätten Wissenschaftler in der ganzen Welt so eng zusammen gearbeitet. Nie zuvor hätten Wissenschaftlern Rechenleistungen zur Verfügung gestanden, wie sie nun durch die Cloud ermöglicht würden. Komplexe Modelle könnten im Bruchteil einer Sekunde Szenarien durchtesten, die früher viele Tage bis Wochen gedauert hätten. Vielleicht sei es tatsächlich möglich, ein Medikament schneller zu finden, als die bislang üblichen Jahre. Vielleicht werde sogar der Impfstoff noch vor der nächsten Grippesaison im Jahr 2021 gefunden. Eine entsprechende Meldung würde an den Finanzmärkten für sofortige Entspannung sorgen.

Doch während man auf eine positive Wendung warte, werde weiter ausverkauft. Und seitens der Unternehmen werde der Ausverkauf befeuert, denn es gebe nur sehr wenige Unternehmen, die aufgrund des Coronavirus NICHT ihre Unternehmensprognose senken müssten. Apple (ISIN US0378331005 / WKN 865985) und Microsoft hätten schon den Anfang gemacht, Anheuser Bush (ISIN US5949181045 / WKN 870747) und Hewlett Packard (ISIN US42824C1099 / WKN A140KD) seien gefolgt. Vom Reisemarkt (TUI (ISIN DE000TUAG000 / WKN TUAG00) -30%) und der Flugzeugbranche (Lufthansa (ISIN DE0008232125 / WKN 823212) -22%) brauche man gar nicht sprechen.

Die gesamte Logistikbranche sei aktuell auf Wochensicht mit 17% im Minus und damit Spitzenreiter in der DAX-Familie (DAX, MDAX, SDAX), gefolgt von der Finanzbranche mit -16%. Zinssenkungen aller großen Notenbanken seien in den vergangenen Tagen plötzlich als gegeben hingenommen worden. Noch Ende letzter Woche sei die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung in den USA in den kommenden Wochen bei unter 20% gewesen, seit heute gelte sie als zu 100% sicher.

Niedrige Zinsen, oder hier in Europa sogar Minuszinsen, würden also erneut manifestiert. Das sei schlecht für Finanzinstitute, die an der Zinsdifferenz verdienen würden. Da sei es egal, ob flatex (ISIN DE000FTG1111 / WKN FTG111) (-9%) oder Lang & Schwarz (ISIN DE0006459324 / WKN 645932) (-18%) wie die Dt. Börse (ISIN DE0005810055 / WKN 581005) (-10%) an dem hohen Handelsvolumen verdienen würden, das Niedrigzinsumfeld werde die Bilanz belasten.

Die Chemiebranche, das "letzte" deutsche Rückgrat der Wirtschaft, stürze um 14% ab. Kein einziger Titel aus Logistik, Finanzen und Chemie sei nicht mindestens zweistellig im Minus. Sowas habe man nie zuvor gesehen.

Rohstoffunternehmen seien ebenfalls um 14% eingebrochen, hier würden das Recycling-Unternehmen Befesa (ISIN LU1704650164 / WKN A2H5Z1) und Stahlproduzent Salzgitter (ISIN DE0006202005 / WKN 620200) mit -8% eine "positive" Ausnahme bilden.

Am besten habe die Gesundheitsbranche mit -9,7%, also knapp unter zweistellig abgeschnitten. QIAGEN habe seine Verluste auf 4% beschränken können. Drägerwerk sei wegen seiner Atemmasken hochgekauft worden, wie oben besprochen. RHÖN KLINIKUM (ISIN DE0007042301 / WKN 704230) solle von Asklepios gekauft werde, daher sei diese Aktie angesprungen. Ach so, da sei ja noch die SHOP APOTHEKE (ISIN NL0012044747 / WKN A2AR94) (nur -5%) für diejenigen, die nicht einmal mehr Desinfektionsmittel in der Apotheke würden kaufen wollen, sondern auch das lieber Online bestellen würden.

Nur zwei Aktien im DAX-Universum von 160 Unternehmen könnten die Woche im Plus beenden: TeamViewer (ISIN DE000A2YN900 / WKN A2YN90) (+7%) und zooplus (ISIN DE0005111702 / WKN 511170) (+0,8%).

Die Rendite der zehn Jahre laufenden US-Staatsanleihe sei auf einem historischen Tief angelangt: Im Jahr 2016 sei das bisherige Tief bei 1,33% geschrieben worden, heute stehe sie bei 1,17%.

Der Anleihemarkt signalisiere die Stimmung der großen Anleger. Sei die Angst groß, würden Anleihen gekauft, deren Kurse würden steigen und im Umkehrschluss sinke die Rendite. Wenn man heute also in den USA das historisch tiefste Zinsniveau aller Zeiten habe, dann müsse die Angst vor einer Rezession groß sein.

Während in den vergangenen vier Jahren alle von der "erfolgreichen Zinswende" gesprochen hätten, habe Stefan Heibel im Jahr 2018 vor erneut tieferen Zinsen gewarnt. Gerne hätte er Unrecht gehabt. Doch mit dieser Kehrtwende und den neuen Rekordtiefs sei somit der langfristige (hier rede er von Jahrzehnten, also seit den 1970ern) Aufwärtstrend der Anleihen intakt. Die Zinswende sei weder geschafft, noch überhaupt in Sicht.

In Europa sehe es nur geringfügig anders aus, hier habe man noch gar nicht mit der Zinswende begonnen. Immerhin habe es zaghaft steigende Renditen gegeben, aber das sei schon vor einigen Wochen wieder umgekehrt geworden. Seit heute seien in Europa alle Zinsen negativ, also egal ob man über Nacht anlegen wolle, oder für 30 Jahre.

Der Ölpreis sei eingebrochen (-13%), gemeinsam mit den Rohstoffmärkten, die sich vor einer Konjunkturabschwächung fürchten würden.

Der Goldpreis sei nur leicht zurückgekommen (-3%). Hier seien Anleger unterwegs, die Geld brauchen würden. Gold werde häufig als Reserve verwendet, um in Krisenzeiten noch leicht liquidierbares Geld zu haben. Und jetzt sei ein solcher Fall. Die Goldrally sei damit nicht beendet, sondern nur aus diesem technischen Grund unterbrochen.

Selbiges gelte auch für den Bitcoin (-8%), der in dieser Situation wohl bei einigen verkauft werde, um Cash zu generieren.

Der Baltic Dry Verschiffungsindex komme im Rahmen des Neujahrsfests jedes Jahr etwas zurück, da Import und Export in dieser Zeit pausieren würden. Nachdem in diesem Jahr die Wirtschaft aufgrund der Quarantäne verspätet und nur langsam wieder anlaufe, komme nun der Baltic Dry Index langsam wieder zurück. Dies sei ein Signal, dass sich die Situation in China, wenn auch nur langsam, wieder in Richtung Normalisierung zubewege. (Ausgabe 9 vom 28.02.2020) (02.03.2020/ac/a/m)





 
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